Reparieren statt ersetzen: Sparpotenzial über 1000 Tonnen CO2


Markt und Technik

Während das Label «green car repair» entwickelt wurde, entstand unabhängig davon bei der AXA parallel die Idee für ein Self-Assessment für die Reparaturpartner. Als Zentralpräsident Felix Wyss davon erfuhr, führte er beide Parteien erfolgreich zusammen.

Allein die AXA, grösste Schweizer Motorfahrzeugversicherung, kommt gemäss Schadenstatistik jährlich für den Ersatz von rund 8000 Windschutzscheiben auf, obwohl eine Reparatur möglich wäre. Insgesamt dürften es in der Schweiz rund 40 000 Windschutzscheiben sein, die direkt ersetzt statt repariert werden. Doch bereits der Ersatz einer einzigen Windschutzscheibe belastet gemäss einer von der AXA in Auftrag gegebenen Analyse der Empa die Umwelt im Vergleich zu einer Reparatur um zusätzliche 15,3 Kilogramm Treibhausgase (in CO2-Äquivalenten). Durch ein konsequentes Reparieren statt Ersetzen könnten somit jährlich über 600 Tonnen an CO2-Äquivalenten eingespart werden.

Ähnlich sieht es bei den Stossstangen aus: Schweizweit dürften jährlich rund 30 000 davon bei Schadenfällen direkt ersetzt statt repariert werden. Gemäss der Analyse der Empa belastet der Ersatz einer Stossstange im Vergleich zu einer Reparatur die Umwelt um zusätzliche 14,5 Kilogramm an CO2-Äquivalenten. Damit könnten auch hier über 400 Tonnen eingespart werden. «Wenn nur schon Windschutzscheiben und Stossstangen konsequent repariert statt ersetzt würden, könnten schweizweit rund 1000 Tonnen CO2-Äquivalente jährlich eingespart werden. Das entspricht dem CO2-Ausstoss einer Fahrt mit einem durchschnittlichen Benziner von knapp 3 Millionen Kilometern, also einer 75-fachen Umrundung der Erde», erklärt Marcel Stettler, der bei der AXA Schweiz für die Partnerschaften mit den Carrosseriebetrieben verantwortlich ist.

Die hohen CO2-Belastungen sind primär auf die Herstellung und Entsorgung der Bauteile zurückzuführen. «Bei der Produktion von Windschutzscheiben zum Beispiel fällt insbesondere die für die Glasherstellung benötigte Energie ins Gewicht», erklärt Roland Hischier von der Forschungsabteilung Technologie und Gesellschaft der Empa. Konkret weist die Empa-Studie aus, dass die Auswirkungen beim Austausch einer Stossstange rund 40 Mal höher seien als jene einer Reparatur. Bei einer Windschutzscheibe seien es sogar mehr als 500 Mal höhere Auswirkungen im Vergleich zur Reparatur. Die Begründung dafür liegt in der nur geringen Menge an Chemikalien und Energie, die für den Reparaturprozess benötigt werden.

Self-Assessment für Schweizer Carrosserien

Um die Reparaturquote zu erhöhen, hat die AXA Schweiz vor kurzem ein Self-Assessment für Schweizer Werkstätten entwickelt. Mittels Online-Fragebogen können sie evaluieren, wie nachhaltig sie arbeiten, und erhalten konkrete Handlungsempfehlungen, wie eine nachhaltigere Reparatur gelingen kann. Diese geben beispielsweise an, welche Werkzeuge sich eignen oder welche Weiterbildungskurse absolviert werden können. «Unser Ziel ist es, die Werkstätten dazu zu befähigen, defekte Teile, wenn immer möglich, zu reparieren und damit auf unnötige Ersatzteile zu verzichten. Mittel dazu ist insbesondere die Handwerkskunst», erklärt Stettler.

Das Potenzial zum Reparieren ist enorm. Zwar gaben in einer Studie der AXA aus dem Jahr 2021 fast 70 Prozent der 1649 befragten Garagen und Carrosserien an, dass sie es als wichtig oder sehr wichtig erachten, dass ihr Betrieb auf umweltfreundliche Reparaturen setzt. Dennoch schätzt die AXA, dass die Reparaturquote im Gewerbe insgesamt verdoppelt werden könnte. Marcel Stettler ist überzeugt, dass bei den Windschutzscheiben gar eine Verdreifachung der Quote möglich sei.

Reparaturannahme wichtigster Hebel für Kundeninformation

Nebst der Entwicklung des Assessments ist die AXA Mitinitiantin des auf den vorangegangenen Seiten vorgestellten «green car repair»-Branchenlabels für jene Betriebe, die nach umweltfreundlichen Standards arbeiten und eine Reparatur, wenn immer möglich, einem Ersatz vorziehen. Werkstätten, die zertifiziert werden möchten, müssen unter anderem das von AXA mitentwickelte Self-Assessment bestehen. Autofahrerinnen und Autofahrern bietet das Label eine Orientierung darüber, wie nachhaltig ein Betrieb arbeitet. So lassen sich gemäss einer Studie aus dem Jahr 2021, bei der 644 AXA Kundinnen und Kunden aus der Deutschschweiz befragt wurden, bereits heute 60 Prozent für eine Reparatur anstelle eines Ersatzes begeistern. Sie müssen jedoch auf den Nutzen für die Umwelt und die Gleichwertigkeit gegenüber einem Ersatz hingewiesen werden. Genau darauf ziehlt der von clearcarrep und Betag Innovation durchgeführte «Annehmerkurs» ab, den AXA als Massnahme empfiehlt. Dazu Stettler: «Uns ist sehr wichtig, dass derjenige, der den Auftrag entgegennimmt, auch entsprechend ausgebildet ist und die Reparaturmöglichkeiten genau kennt. Er kann den Kunden vor Ort beraten. Unsere Partner sind für uns ein sehr wichtiger Part, da sie auch, wie wir, direkt mit unseren Kunden kommunizieren.»

Geringere Umweltbelastung, tiefere Kosten, gleiche Qualität

Dank dem Wissen und dem handwerklichen Können der Fachkräfte kann ein kleinerer Schaden oftmals innert weniger Stunden vollständig repariert werden, ohne Einbussen bei der Qualität. Ausserdem spart das Kosten, gerade bei den steigenden Ersatzteilkosten ein entscheidender Faktor: «Wenn wir eine Reparatur fördern, wann immer dies technisch möglich ist, kommt dies nicht nur der Umwelt, sondern auch den Werkstätten, den Kunden und uns als Versicherung zugute. Bei der Qualität machen wir dabei selbstverständlich keine Abstriche», erklärt Marcel Stettler. Für den Carrosseriebetrieb ergibt sich die Chance, mehr Arbeitsstunden zu verkaufen und die Mitarbeitenden können ihren erlernten Handwerksberuf ausüben, was die Zufriedenheit fördert.

Text: Henrik Petro

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