2018 starb sein Vater Ruedi Marti völlig unerwartet. Von einem Tag auf den anderen stand Adrian Marti (Bild) an der Spitze des Familienunternehmens, ohne Vorbereitung, aber mit viel Entschlossenheit. Ein paar Jahre später, erzählt er mir, wie er ins kalte Wasser sprang, welche Herausforderungen er meistern musste und wohin er das Traditionsunternehmen führen will.
Adrian, erinnerst du dich an den Moment, in dem dir bewusst wurde: Jetzt liegt die Verantwortung für die Firma bei mir?
Ja, sehr genau. Bereits mit meinem Einstieg 2016 in die Firma konnte ich mir vorstellen, dass ich einmal das Unternehmen übernehmen werde. Deswegen begann ich noch die Weiterbildung zum Wirtschaftsingenieur. Doch 2018 kam alles schneller als geplant. Als wir der Belegschaft mitteilten, dass ich die Führung übernehmen werde, wurde mir endgültig bewusst: Jetzt wird es ernst.
War das eher ein Gefühl von Stolz oder von Druck?
Am Anfang definitiv Druck. Heute spüre ich aber auch Stolz, wenn ich sehe, was wir erreicht haben.
Du hast zwei Brüder. Wie kam es dazu, dass gerade du in die Rolle geschlüpft bist?
Ich war zu diesem Zeitpunkt schon zwei Jahre im Betrieb. Es war geplant, Schritt für Schritt in die Geschäftsleitung hineinzuwachsen. Als der Entscheid dann schneller als geplant gefällt werden musste, haben mich meine Brüder unterstützt.
Welche Entscheidungen deines Vaters prägen die Firma bis heute?
Schon mein Grossvater sagte, dass man nur das Geld ausgeben soll, das man tatsächlich besitzt. Dieses Prinzip hat mein Vater konsequent weitergeführt. Bodenständigkeit und vernünftige Investitionen sind bis heute unsere Leitlinien. Wir arbeiten hart und achten darauf, dass sich das Unternehmen gesund weiterentwickelt.
Wie hast du den Wechsel vom „Sohn des Chefs“ zum Geschäftsführer erlebt?
Am Anfang war es schon ein komisches Gefühl. Plötzlich schaut man hinter die Kulissen und merkt, wie viel Verantwortung wirklich dranhängt. Da geht es nicht nur um Zahlen, sondern auch um Menschen und Entscheidungen, die Folgen haben. Das lernt man nicht aus einem Lehrbuch, sondern erst, wenn man mittendrin steckt.
Wie hat die Belegschaft reagiert?
Sehr positiv. Der Tod meines Vaters war für alle ein Schock, aber die klare Aussage der Familie, dass wir das Unternehmen weiterführen, hat Sicherheit gegeben. Die Belegschaft war stets wohlwollend gestimmt. Dank der grossen Unterstützung aller Mitarbeitenden, konnten wir den Betrieb ohne Brüche weiterführen.
Was war für dich die grösste Herausforderung?
2020 verliessen zwei Mitglieder der Geschäftsleitung überraschend die Firma. So kurz nach der Übernahme war das eine echte Feuerprobe. Nach anfänglichem Hadern sahen wir die bevorstehenden Abgänge jedoch als Chance, um uns neu zu organisieren. Heute sind wir stabil und leistungsfähig aufgestellt.
Und persönlich, was hast du am meisten lernen müssen?
Selbstorganisation. Es prasselt sehr viel gleichzeitig auf einen ein, da braucht es klare Prioritäten. Man muss auch lernen, Nein zu sagen, sonst verliert man den Fokus auf die wichtigen Dinge.
Gab es Momente des Zweifelns?
Natürlich, mehrmals. Umso wichtiger ist es, Familie und ein starkes Netzwerk im Rücken zu haben.
Wie gelingt es dir, privat Abstand zu gewinnen?
Als Geschäftsführer und Mitinhaber ist die Firma immer präsent. Aber ich achte bewusst auf Auszeiten: Mittagessen mit meiner Frau und den Kindern, Ausfahrten mit dem Bike. Das gibt Energie.
Was würden die Mitarbeitenden als deine Stärke nennen?
Ich hoffe, sie würden sagen: Ich kommuniziere auf Augenhöhe und bin kooperativ.
Woher nimmst du neue Ideen und Impulse?
Neue Impulse finde ich an ganz unterschiedlichen Orten: im Austausch mit unseren Mitarbeitenden, bei Seminaren, in Gesprächen mit meinem Bruder oder auch durch mein Engagement im Rotary-Club, wo man spannende Perspektiven über den Tellerrand hinaus gewinnt.
Wenn du zehn Jahre nach vorne schaust, woran würdest du gerne gemessen werden?
Daran, dass wir neue Entwicklungen erfolgreich gemeistert haben, ohne Qualität und Kundennähe einzubüssen. Dass wir Themen wie Digitalisierung, moderne Infrastruktur, effiziente Prozesse angegangen sind, aber immer mit Fokus auf individuelle Kundenwünsche.
Wie wichtig ist es dir, dass die Firma in Familienhand bleibt?
Unser Ziel ist klar: Wir wollen langfristig ein Familienunternehmen bleiben. Ob die nächste Generation das auch so sieht, wird sich zeigen – sie ist heute noch zu jung. Aber wir haben Zeit, das sauber vorzubereiten. Zuerst wollen wir jedoch die laufende Ablösung erfolgreich weiterführen.
Neue Technologien sind überall ein Thema – wie lebt ihr das im Alltag?
Wir müssen mit dem Zeitgeist gehen, keine Frage. Elektromobilität ist bereits Alltag, unsere Leute sind geschult und bringen viel Erfahrung mit. In naher Zukunft werden die elektrisch angetriebenen Trägerfahrzeuge, die wir aufbauen, wohl den Grossteil ausmachen. Natürlich läuft nicht jedes Projekt glatt: Unser elektrisch angetriebener Zweiachsanhänger liegt zum Beispiel gerade auf Eis, weil die Zulassung zu teuer wäre. Risiko und Mut gehören zu einer erfolgreichen Firma dazu und Rückschläge sind Teil des Weges.
Wie geht ihr mit Fachkräftemangel um?
Wir setzen stark auf die Ausbildung im eigenen Haus. Junge Leute sind neugierig und wollen vorankommen. Aber sie stellen auch konkrete Fragen zur Karriere oder zur Vorsorge. Wenn man das offen anspricht, sind sie meistens hochmotiviert und bringen vollen Einsatz.
Wo siehst du die grössten Herausforderungen der Zukunft?
In der Balance zwischen individuellen Kundenwünschen und effizienter Fertigung. Der Preisdruck wird bleiben, also müssen wir noch rationeller arbeiten, ohne an Qualität einzubüssen.
Redaktion: Roland Kämpf, Chefredaktor Bulletin