Unter der Lupe bei Carrozzeria Monzeglio


Tessin

Zwischen Bellinzona und Locarno befindet sich seit 2019 die Carrozzeria Monzeglio, deren Geschichte 101 Jahre zurückreicht. Geleitet wird das Unternehmen seit 2010 von Leonardo Monzeglio und seiner Frau Nadia in vierter Generation. Nachhaltigkeit ist für «Leo» eine Frage der persönlichen Lebenseinstellung.

Ein Carrossier mit Masterabschluss einer Top-Universität? Ja, im Tessin gibt es das: Leonardo Monzeglio, Jahrgang 1979, Geschäftsführer und Inhaber in 4. Generation, studiert zunächst Wirtschaftswissenschaften in Lugano und schliesst mit einem Master in Management von KMU an der renommierten Mailänder Bocconi-Universität ab. «Mein Vater hat meine Geschwister und mich immer dazu gedrängt, studieren zu gehen», erzählt Leo, wie er von allen genannt wird. 

Als sein Vater Gabriele das Pensionsalter erreicht, ist er unschlüssig, ob er die Carrosserie nicht verkaufen soll. Leo, inzwischen einige Jahre als Wirtschaftsprüfer bei Deloitte tätig, hält ihn davon ab und bietet stattdessen an, es selbst zu versuchen: «Ich wollte zumindest das 100-Jahre-Jubiläum erreichen.» Das war 2010, noch an der alten Adresse in der Nähe der Altstadt von Locarno. Auf 3000 m² (unter Dach) carrossierten und reparierten hier in den 1980er Jahren bis zu 40 Arbeiter Automobile. «Das waren noch echte Carrozzieri und Schreiner. Deren Werkzeuge wurden bis zum Schluss aufbewahrt.» Zum Betrieb gehörten eine Garage mit Markenvertretung sowie eine Tankstelle. Leo beschliesst, sich von beidem zu trennen: «Ich wollte zurück zu den Kernkompetenzen des Familienunternehmens meines Urgrossvaters. Ich wollte auch keine Konkurrenz für die Garagisten sein, sondern diese wieder als Partner haben.» 

Abschied aus der Stadt 

2016 entsteht in Riazzino in einer ehemaligen Carrosseriewerkstatt ein Filialbetrieb, zunächst für Industrielackierung und Sortimo-Ausbau. 2019 zieht das ganze Unternehmen hierher. «Ich wollte es etwas kleiner haben, und sah auch keine Zukunft mehr in der Stadt», so Leonardo Monzeglio. «Die grosse Angst meines Vaters war, dass wir die Kunden von Locarno verlieren. Aber diese Angst war unbegründet. Die Erreichbarkeit mit dem ÖV ist kein Problem und auch die Visibilität ist besser als vorher, als wir noch hinter Tankstelle und Garage versteckt waren.» 

Die Automeile von Riazzino beherbergt insgesamt vier Carrosseriebetriebe. «Das funktioniert gut. Wir reparieren hoffentlich alle auf gleichem Qualitätsniveau. Aber was uns unterscheidet, ist das Menschliche. Meine Frau und ich machen die Annahme, reden mit den Kunden, öffnen ihnen die Türe, bieten sehr guten Kaffee in echten, vorgewärmten Tassen an. Dieser Service ist sehr wichtig und bringt uns eine super Mundpropaganda. Dabei spielt es keine Rolle, ob Panda, Nutzfahrzeug oder Ferrari – der Service muss gleich sein. Und meine Mitarbeiter wissen das.»

Apropos Mitarbeiter: Nebst Leo und seiner Frau Nadia arbeiten vier Fachkräfte – ein Spengler mit 50 Jahren Erfahrung und drei Lackierer in der Werkstatt – alles langjährige Mitarbeiter. Zudem werden zwei Lernende ausgebildet. Die letzte Lernende Carrosserielackiererin schloss vor vier Jahren mit der besten praktischen Arbeit im Kanton ab. Und von den beiden erstmals im Tessin lernenden Carrosseriespenglerinnen wird eine bei Monzeglio ausgebildet. «Bei uns muss man arbeiten und lernen und nicht nur putzen. Unsere Abgänger haben deshalb einen hervorragenden Ruf in der Branche.»

Nachhaltigkeit geht über die Carrosserie hinaus

Dass der Nachhaltigkeit in der Werkstatt mit Reparieren statt ersetzen, Spot-Repair usw. ein grosser Wert beigemessen wird, lässt sich auf der Webseite unter «Servizi» nachlesen. «Vor 30 Jahren waren wir bereits der erste Betrieb im Tessin, der wasserbasierte Reparaturlacke verwendete. Unser Unternehmen hat nicht nur grosse Veränderungen vorgenommen, um die Umwelt zu schützen, Ressourcen zu schonen und CO₂-Emissionen zu reduzieren. Auch wir als Teamleiter und Verantwortliche für die Unternehmenskultur gehen mit gutem Beispiel voran. Seit einigen Jahren pflegen wir einen bewussten und verantwortungsvollen Lebensstil und eine verantwortungsvolle Ernährung. Wir verzichten auf fleischbasierte Ernährung und alle daraus gewonnenen Produkte und tragen so täglich zur Reduzierung der CO₂-Emissionen bei. Wir bevorzugen regionale, selbstverständlich biologische und saisonale Produkte. Dieser Lebensstil spiegelt sich in unserem Unternehmen, unseren Prozessen und unseren Mitarbeitern wider.» Leo unterstützt selbstverständlich die Bemühungen der Branche, äussert aber auch Kritik: «Mich stört, wie Versicherungen, Reparaturnetzwerke usw. grossen Druck ausüben, die CO₂-Bilanz in der Werkstatt zu reduzieren. Wir sollten damit nicht übertreiben. Ich mache im Betrieb, was möglich ist, es muss aber auch betriebswirtschaftlich zu verantworten sein. Eine Zertifizierung kostet, man muss dafür investieren, und das wirkt sich dann auf den Stundenverrechnungssatz aus. Mehr erreichen wir, wenn auch die Menschen mit ihrem Alltagsverhalten ihren Beitrag leisten. Ich würde mir wünschen, dass bei einer CO₂-Zertifizierung dies ebenfalls berücksichtigt werden würde.»●

Text: Henrik Petro, Bilder: Carrozzeria Monzeglio, Petro

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